Archiv für November 2014

“Und Friede auf Erden…”

Donnerstag, 27. November 2014

so singen die himmlischen Heerscharen in der Heiligen Nacht und begrüßen das Kind, das uns die Nähe Gottes verheißt. Ein alter Traum, ein ewiger Wunsch, dass die Menschheit aufhöre, sich mit Krieg und Gewalt zu überziehen und Leid und Not über die Welt zu bringen. Wahrscheinlich war dies schon in der Heiligen Nacht nicht der Fall. Geschweige denn heute. Wenn wir die Nachrichten anschalten, dann möchten wir am liebsten Augen und Ohren verschließen bei all der Gewalt und Terror. Und doch lösen diese Worte eine tiefe Sehnsucht in uns aus, es möge wahr werden. Sie tragen eine wundersame Kraft in sich, die uns hoffen lässt, dass Friede möglich ist.

Was hat es also mit dieser Verheißung auf sich? War es nur der Friede der einen Nacht, eines Augenblicks, als die Engel die Ankunft des Heilandes verkünden? Kann ich das glauben – Friede auf Erden? Macht das Sinn?

Ja, es macht Sinn – immer noch und mehr denn je. Das Kind bringt eine Botschaft mit. Sie lautet: Das Reich Gottes kommt in Klein-Kinder-Schritten. Gott wählt seinen eigenen Weg, um diese Welt zu verändern und dieser Weg beginnt für die Welt mit diesem Kind. Es ist nicht der erste Schritt, nicht der erste Versuch, den Gott macht. Aber nun wählt er einen anderen Weg, um den Menschen Frieden zu bringen. Ein kleines Kind in der Krippe. Geboren in einer kleinen Stadt. Besucht von kleinen Leuten. Nach einer kurzen Nacht sind sie wieder auf der Flucht. Ein kleines Kind. Die bedürftigste menschliche Form. Die bedürftigste Ausgabe Mensch. So kommt Gott den Menschen nah und so kommt das Reich Gottes – in Klein-Kinder-Schritten. Gott macht nicht Tabula rasa. Er kommt nicht von oben herab und zieht einen dicken Schlussstrich. Er macht nicht einfach alles neu. Er kommt klein und unscheinbar, weil ihm das Kleine und Unscheinbare am Herzen liegt. Und das auf der ganzen Welt, nicht nur in einzelnen Ländern oder Kontinenten. Tabula rasa – alles auf Neufanfang, das machen die Großen, das machen die Fanatiker. Dabei übersehen sie das Kleine, das Bedürftige, das Kostbare, schlimmstenfalls zerstören sie es. Denn sie haben Angst davor klein zu sein. Sie fürchten sich vor Machtlosigkeit und Bedeutungslosigkeit.

Gott wählt einen anderen Weg: Mit euch Menschen will ich Frieden schaffen und die Welt verändern. Nicht indem ich einfach wegmache, was mich stört, sondern indem ich euch verändere und mit auf diesen Weg des Friedens nehmen. Der sich ganz klein macht für dich. Darum: Lass dich anrühren von der Bedürftigkeit des Kindes und der Kostbarkeit, die in jedem Leben liegt. Lerne es zu achten und zu bewahren. Dann hat der Friede eine Chance – in dir und in der Welt. Das mag banal klingen und hilflos, aber darin wohnt die einzige Kraft, die Frieden schaffen kann.

Ich wünsche ihnen, dass sie in den nächsten Wochen etwas von Liebe Gottes spüren, die in dieser Krippe ihren Anfang nahm. Und ich wünsche ihnen, dass sie in ihnen wachsen kann und Kraft frei setzt für das, was ihnen am Herzen liegt. Ich wünsche uns, dass wir nicht aufhören daran zu glauben, dass Frieden möglich ist – in uns und auf der Erde.

Ihr Jörg Beckers

Liebe Gemeinde,

Donnerstag, 27. November 2014

vor wenigen Tagen ist die Ausstellung „Hölle-Fegefeuer-Paradies“ zu Bildern von Salvador Dalí zu Ende gegangen. Es war nicht nur eine künstlerisch interessante Ausstellung, die uns einen Einblick in das Werk Dalís und die Göttliche Komödie von Dante geschenkt hat, sondern auch eine Ausstellung, die uns angeregt hat, uns mit Sterben, Tod und Jenseits auseinander zu setzen. Es gab hochkarätige Veranstaltungen wie die Podiumsdiskussion zum Thema „Bekomme ich am Ende, was ich verdient habe?“ oder der Vortrag „Klappe zu und aus – oder doch das Paradies?“ mit Klaus Aurnhammer, die mich durch ihre Intensität und Tiefe beeindruckt haben. Eins von vielen Beispielen, das mich noch immer beschäftigt: Klaus Aurnhammer sprach während der anschließenden Gesprächsrunde davon, dass das Sterben für ihn etwas „Heiliges“ habe. Man sei dabei, wenn das Leben einen Menschen verlasse und das sei ein besonderer Moment, für den er nur diesen Ausdruck „heilig“ habe. Ich habe das Sterben noch nie unter diesem Aspekt gesehen. Aber ich finde das Wort sehr angemessen. Leben ist etwas heiliges, weil unendlich kostbar und von Gott geschenkt. Es steht im Letzten nicht in unserer Verfügungsgewalt. Es wird uns geschenkt! Also ist auch der Augenblick, wenn uns dieses Leben wieder verlässt, ein besonderer, ein heiliger Moment, den wir achten und schätzen sollen. Es ist nicht egal, wie wir sterben.  Es soll  in  Würde  und wenn es möglich ist in Liebe geschehen.

Mir ist dieser Ausdruck aber noch aus einem anderen Grund so angemessen erschienen. Denn das Sterben ist nicht nur ein menschlicher Vorgang. In ihm ereignet sich auch auf eine gewisse Weise die Begegnung mit Gott. Wenn wir aus diesem irdischen Leben gehen, dann glauben wir uns in der Liebe Gottes geborgen. Wir wissen nicht genau, wie das aussieht und wir haben nur Bilder, um uns davon zu erzählen und uns zu trösten. Aber eins ist uns doch versprochen: Gott wird dieses Leben bewahren und zu neuem Leben verwandeln. Wenn wir also sterben – egal, ob wir darunter verstehen, dass wir mit unserer ganzen Lebendigkeit verlöschen oder dass unsere Seele uns verlässt – so kommt uns Gott entgegen und bewahrt unsere Lebendigkeit – er kommt mir entgegen. Der Lebendige selbst, der Anfang und das Ziel des Lebens, vollendet mein Leben. Auch deshalb ist das ein heiliger Moment. Es ist Neuschöpfung und Vollendung.

Dieser Glaube kann uns nicht nur durch das Sterben tragen, sondern auch durch das Leben. Er entlastet uns davon alles in diesem Leben schaffen oder erledigen zu müssen. Im Glauben, dass mein Leben vollendet wird, kann ich gelassener loslassen. Ich darf regeln, was mir wichtig ist, aber wenn das mal nicht gelingt oder nichtmöglich ist, kann ich es auch in Gottes Hände legen.

In diesem Sinne kann der Tod dann mein Bruder werden, den ich nicht zu fürchten brauche. Deshalb ein wunderbares Wort des Theologen Dieter Nestle im Angesicht des Todes. Pfarrer Joachim Conrad hat diesen Text zur Podiumsdiskussion eingebracht.

An meinen Tod

- Dieter Nestle  – 2. November 1990

„Tod! Du kannst immer kommen!

Klopf an, tritt ein.

Nimm Platz, hier sind wir unter uns.

Ich möchte vieles sagen

Doch ich schweige lieber.“

„Du bist wohl müd

und kannst nicht mehr?

Die Kraft hat dich verlassen.

Ruh dich aus, leg dich nieder,

streck dich.

Ich setz mich zu Dir.

Ich deck Dich zu und wache

Bis du schläfst.

Ich hüte deinen Schlaf.“

„Ja, wach, Tod!

Es soll mich niemand wecken vor der Zeit!

Doch wenn der Morgen kommt,

dann zieh den Vorhang auf

und öffne beide Fensterflügel weit

dem Morgenduft und Morgenglanz und Morgenlied –

O Gott, wie schön! – wie schön!“

Ihr Jörg Beckers